Changes - Wie sich 2017 mein Leben komplett veränderte
- Verena
- 13. Feb. 2021
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Feb. 2021
Im Sommer 2017 war ich wieder mal in der Diabetesambulanz im Krankenhaus in Mistelbach um meine Behandlung zu optimieren/kontrollieren. Mein Gewicht hatte einen erschreckenden neuen Rekord angenommen. Ich war kurz davor im dreistelligen Bereich zu landen und daraus resultierend wirkte das Insulin immer schlechter und ich musste die Dosis immer weiter nach oben anpassen.
Meine zwei Kuraufenthalte hatten mich diesbezüglich auch nicht weiter gebracht. Um den wirklich Besorgnis erregenden Entwicklungen entgegenzuwirken, wollten mir die Ärzte ein zusätzliches Medikament verschreiben. Da ich mir prinzipiell nichts verschreiben lasse ohne vorher den Beipackzettel zu lesen, hatte ich mit den Ärzten vereinbart mich zu informieren und beim nächsten Termin zu entscheiden ob ich das Medikament nehmen wollte oder nicht. Als ich am nächsten Tag meine Recherche zu dem Medikament begann, schaute ich mir also den Beipackzettel an - die Liste der Nebenwirkungen schien endlos und als eine der unzähligen Nebenwirkungen war ein erhöhtes Krebsrisiko angegeben. Nur etwa ein halbes Jahr zuvor war meine Mutter an Krebs verstorben (oder sollte ich vielleicht sagen eher elendig verreckt). Ich stand einen ganzen Tag lang unter Schock. Es schien mir als hätte ich nur zwei Optionen - entweder in der Insulinaufwärtsspirale mit mehr Gewicht und daher höherem Insulinbedarf festzustecken oder ein Medikament nehmen, das vielleicht dazu führt, dass ich das gleiche Schicksal wie meine Mutter erleide. (hört sich Paranoid an, aber als übergewichtiger Diabetiker mit einer familiären Krebsvorbelastung von beiden Seiten sollte man ein erhöhtes Krebsrisiko auch nicht auf die Leichte Schulter nehmen). An diesem Tagen und auch noch an den nächsten habe ich geweint. Sehr viel geweint! Nachträglich betrachtet war es gut, dass sich so ein enormer Leidensdruck aufgebaut hat. Dieser Druck war es nämlich, der eine Veränderung für mich erst möglich gemacht hat. Ich bin ein Mensch der sich zu diesem Zeitpunkt nur sehr träge und widerwillig auf Veränderungen eingelassen hat und es war dieser Druck, der Bewegung in die Sache gebracht hat. Irgendwann als ich mich langsam wieder beruhigt hatte, begann ich mit meiner Recherche. Ich wollte Diabetes besser verstehen und suchte anfangs eigentlich hauptsächlich auch nach natürlichen Mitteln, die helfen sollten meine Diabetes besser in den Griff zu bekommen. Ich habe mir einige Bücher aus der Bibliothek ausgeborgt und meine Recherche begonnen. Ich bin dabei auf Dinge gestoßen wie Zimt, Flohsamen, Haferflocken, Äpfel, Kurkuma, Ingwer, uvm. Diese Dinge in den Speiseplan zu integrieren sollte helfen den Blutzuckerspiegel stabiler zu halten.
Ganz überzeugt war ich noch nicht und so setzte ich meine Recherchen fort bis mir irgendwann das Buch Diabetes einfach wegessen - Das erfolgreiche Ernährungskonzept gegen Diabetes Typ 2 von Dr. Joel Fuhrman in die Hände gefallen ist. Ich war ziemlich skeptisch muss ich sagen. Bis zu dem Zeitpunkt gingen Ernährungstipps die ich bekam immer in die Richtung von low-carb und das war etwas was so gar nicht mein Ding war. Kein Brot, keine Pizza, keine Pasta?!! Na, das war nix für mich. Außerdem schien mir eine Art der Ernährung die doch auch zu einem großen Teil auf Fleisch, Eier und Milchprodukte setzt irgendwie nicht so mein Ding zu sein, hatte ich doch die Jahre zuvor eine ambivalente Beziehung zu tierischen Produkten entwickelt. Davon, dass es ethisch nicht okay war Tiere und tierische Produkte zu konsumieren war ich schon länger überzeugt, aber ich war einfach zu schwach oder nennen wir es mal "noch nicht bereit" meine Gewohnheiten zu verändern.
Doch Dr. Fuhrmans Buch war anders als ich es erwartet hatte. In wenigen Sätzen zusammengefasst waren die Empfehlungen aus dem Buch sich an einer möglichst pflanzenbasierten, vollwertigen Ernährung zu orientieren. Besonderer Fokus wurde auf Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide und Obst gelegt. Einige tierische Produkte in den Speiseplan zu integrieren findet Dr. Fuhrman nicht problematisch, aber er empfiehlt es auch nicht unbedingt. Zucker und Öl (und hier ist wirklich Öl und nicht Fett gemeint) waren in der ersten Zeit auch eher tabu. Seine Kollegen Dr. Barnard und Dr. Greger hatten ebenfalls Bücher zum Thema mit Ernährung heilen geschrieben die in die ähnliche Richtung gehen, empfehlen doch aber beide sich rein pflanzlich - also vegan zu ernähren. Da war ich nun, die Frau die Käse über alles liebte und immer Unmengen davon daheim hatte. Irgendwas an der Sache hat mich aber doch gereizt. Könnte das wirklich funktionieren? Kann man diese Krankheit mit einer solchen Ernährungsumstellung in den Griff bekommen? Vegan - ist ja schon irgendwie krass und so extrem. Was essen wir da bitte?
Naja, ich hatte zu dem Zeitpunkt nichts zu verlieren. Gib dem ganzen doch eine Chance. Also, warum nicht. Mein wunderbarer Ehemann Flo hatte mir versprochen, die Sache mal für 1-2 Monate mit mir gemeinsam zu probieren. Im würde es auch nicht schaden sich mal für eine Zeit von richtig viel Gemüse und ohne Käseberge zu ernähren. - "Na gut, dann ziehen wir das durch - aber wenn, dann machen wir es gscheit - ganz oder gar nicht. Vegan und ohne Ausnahmen, sonst wird das nix." Ungefähr so hat es geklungen als wir in unserer Küche den Pakt geschlossen hatten.
Ende August 2017 nachdem wir aus unserem Schweden Urlaub nach Hause gekommen sind, war für uns der ideale Zeitpunkt gekommen unser Vorhaben in die Tat umzusetzen. Der Kühlschrank war leer und ab jetzt sollten nur mehr rein pflanzliche Produkte ins Haus kommen.
"Still don't know what I was waitin' for And my time was runnin' wild A million dead end streets and Every time I thought I'd got it made It seemed the taste was not so sweet So I turned myself to face me But I've never caught a glimpse How the others must see the faker I'm much too fast to take that test
Ch-ch-ch-ch-changes Turn and face the strange Ch-ch-changes"
Der Anfang war noch holprig - vor allem das Frühstück stellte uns teilweise vor Herausforderungen - haben wir doch so gern Brot/Weckerl mit Butter und Käse und gelegentlich auch Schinken gegessen. Das Brot durfte bleiben und der Käse und der Schinken musste Aufstrichen (vor allem Hummus) weichen.
Eine großer Veränderungen hatte ich mir in den ersten Wochen eigentlich nicht erwartet. Ernährungsumstellungen brauchen Zeit und so schnell wird sich da wohl nix tuen - so, oder so ähnlich waren meine Gedanken damals.
Oh wow, bin ich falsch gelegen. Ich hatte zu der Zeit zum Glück den Freestyle Libre - ein Zuckermessgerät wo man so eine Art Chip in den Oberarm einbringt und dadurch aber seinen Blutzucker Wert live verfolgen kann. Damit konnte ich so richtig gut jede Veränderung beobachten und im Blick halten. Schon nach wenigen Tagen musste ich meine Insulinmenge drastisch reduzieren.
Disclaimer: ich hätte das mit meinem Arzt absprechen sollen und mich von ihm begleiten lassen sollen. Würde ich auch jedem empfehlen. Bitte nicht ohne ärztliche Aufsicht nachmachen!
Aber das ging alles so schnell und ich musste ja auf die veränderten Werte jeden Tag reagieren. Zuerst habe ich das Kurzzeitinsulin angepasst und zu den Mahlzeiten immer weniger gespritzt. Ich konnte die Dosis fast wöchentlich reduzieren. Bald musste ich auch das Langzeitinsulin anpassen weil ich eigentlich regelmäßig im Bereich knapp vorm Unterzucker gewesen bin. Diese Erfolge waren für mich unbegreiflich und haben mich natürlich motiviert weiter zu machen. Durch die Reduktion von Insulin ist auch wie von allein mein Gewicht runter gegangen.
Nicht unerwähnt möchte ich an dieser Stelle lassen, dass kurz darauf im September auch ein Yogakurs bei uns in der Gemeinde begonnen hat an dem ich wöchentlich teilgenommen habe. Daheim für mich geübt habe ich aber zu dem Zeitpunkt wenig und wirklich Sport betrieben habe ich auch kaum.
Da ich den Beitrag nicht unendlich verlängern möchte, versuche ich mich kurz zu fassen. In nur 4 Monaten habe ich es geschafft das Insulin und mein zusätzliches Medikament (Januvia) los zu werden - in der Zeit habe ich auch 20 kg abgenommen. Das ist ungefähr das auch das Gewicht, dass ich in meiner Diabeteskarriere zugenommen hatte (Antidepressiva dürften an der Gewichtszunahme auch beteiligt gewesen sein - aber das ist eine andere Geschichte. Mein Mann Flo hat es in der Zeit geschafft auch einiges an Gewicht los zu werden und er konnte sein Blutdruckmedikament auf die Hälfte reduzieren.
Anfangs waren es diese Erfolge, die uns dazu motiviert haben unsere Ernährung dauerhaft umzustellen. Natürlich vermissten wir am Anfang einige Dinge, die wir vorher gerne gegessen haben. Nachträglich betrachtet fühlt es sich aber eher wie eine Bereicherung des Speiseplans an, als eine Einschränkung. Gekocht haben wir immer schon gerne und auch gut (was ein Teil des ursprünglichen Problems war). Verändert hat sich jetzt einfach unsere Experimentierfreude. Wer hätte je gedacht, dass wir Camembert aus Cashews machen oder Lachs aus Karotten.... Dr. Joel Fuhrmann, Dr. Neal Barnard und Dr. Michael Greger (alles amerikanische Ärzte, die mehr oder weniger eine ähnliche Art der pflanzenbasierten, vollwertigen Ernährung empfehlen) haben mein Leben verändert.
Ich war echt davor mich komplett aufzugeben. Ich war dauermüde, extrem adipös , unbeweglich, hatte ständig hohe Blutzuckerwerte und war immer hungrig. Und dann, kaum ein halbes Jahr später war ich so viel leichter, gesünder und auch beweglicher.
Meine Diabetes ist zwar nicht komplett weg gegangen - ich musste und muss meine Blutzuckerwerte immer noch im Auge behalten und habe alle ca. 3 Monate eine Blutabnahme um meinen Langzeitzuckerwert zu kontrollieren. Ich lebe jetzt aber ohne Insulin, Medikamente und ständiges Blutzucker messen und das bringt doch eine ganz andere Art der Lebensqualität mit sich.
Weitere positive Veränderungen waren auch, dass mein Fersensporn quasi von allein verschwand und sich meine andauernden Gelenksschmerzen enorm reduziert haben.
Meine Krankengeschichte war damit zwar noch nicht zu Ende, aber auf jeden Fall waren ein paar Kapitel erstmal abgeschlossen.
Danke an alle, die die Geschichte bis zum Schluss gelesen haben. Ich freu mich immer über Kommentare und einen Austausch zu dem Thema. Habt ihr selbst schon Erfahrungen mit dem Thema Diabetes gemacht? Wie denkt ihr über den Einfluss von Ernährung auf Krankheiten? Solltet ihr Fragen zu meiner Krankengeschichte haben nehmt gerne Kontakt mit mir auf.
Musikreferenz: David Bowie - Changes
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